Monday, December 9, 2019

Richter Alexander Hold und Schach

Vorab: Die folgenden Ausführungen enthalten Spoiler. Wer die Folge noch sehen möchte, sollte den Artikel nicht lesen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ist die Folge auf den Internetpräsenzen von Sat.1 und Sat.1 Gold verfügbar (Links öffnen in einem neuen Fenster und führen zur Übersicht von "Richter Alexander Hold").

Früher kam im Fernsehen, offenbar nach dem Vorbild von Judge Judy, jemand auf die Idee, echte Gerichtsfälle auch in Deutschland zu zeigen. Die daraus entstehende Sendung "Richterin Barbara Salesch" wechselte bald von zivilen zu strafrechtlichen und damit von echten zu erfundenen Fällen. Anfangs basierten diese angeblich noch auf echten Fällen, irgendwann wurden aber nur noch fiktive Geschichten gezeigt. Während der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit "Streit um Drei" weiterhin bei Zivilfällen blieb, kamen auf RTL "Das Strafgericht" sowie "Das Jugendgericht" mit dem legendären Staatsanwalt Küchmeister und für Familienfälle "Das Familiengericht" mit jeweils ebenfalls fiktiven Geschichten heraus. Sat.1 hingegen ließ sich den späteren Bundespräsidentschafskandidaten und Philanthropen Alexander Hold in der nach ihm benannten Sendung "Richter Alexander Hold" für den Sendeplatz nach Saleschs Show produzieren.

Einer dieser Fälle von 2008 namens "Kain und Abel" (Staffel 7, Folge 105 der Staffel) hatte ein Verbrechen zum Gegenstand, bei dem Staatsanwalt Stephan Lucas und Richter Alexander Hold sinngemäß die recht seltsame Aussage treffen sollten, dass Schachfiguren kein Kinderspielzeug sind.

In der Folge berufe ich mich auf §51 Urheberrechtsgesetz für die Bildwiedergabe (Zitatrecht).

Der Angeklagte soll das Motorrad seines Bruders manipuliert haben, indem er Benzin in den Öleinfüllstutzen gefüllt habe. Der Bruder des Angeklagten war mit dem Fahrzeug unterwegs, als es zu einem Motorschaden kam. Das Hinterrad blockierte und das Opfer wurde gegen einen Baum geschleudert, wo es verstarb. Anschließend soll der Angeklagte einen Gegenstand aus dem Besitz des Bruders, aber im Eigentum des Vaters, an sich genommen haben. Der Bruder hatte diesen Gegenstand zuvor aus einer Lagerhalle des Vaters mit dessen Erlaubnis an sich genommen, um ihn vermutlich zu verkaufen. Der Angeklagte soll seinem Bruder gefolgt sein und nach dem "Unfall" den Gegenstand entwendet haben. Dies soll von Anfang an Teil des Tatplans gewesen sein. Juristisch ist dies Mord in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, schwerer Raub mit Todesfolge und schwerem räuberischen Angriff auf Kraftfahrer. Der Strafrahmen dafür beträgt ausschließlich lebenslange Freiheitsstrafe aufgrund des Mordes. Die Mordmerkmale der Heimtücke und des Ermöglichens einer Straftat wären erfüllt, falls die angeklagte Tat so geschehen ist.


Wir überspringen die für uns uninteressanten Stellen. Staatsanwalt Lucas schildert den Tatort und zeigt ein Überwachungsvideo. In der Mitte sehen wir die Tatortfotos, rechts unten den Gegenstand, nach der Schilderung durch Lucas.


Die Freundin des Getöteten gerät in den Verdacht einer Falschaussage, da sie sich angeblich nicht mit Motoren auskennt, aber vor Jahren ein einwöchiges Praktikum gemacht hat, wobei sie Motoren repariert hat. Ein Tatmotiv ist bei ihr jedoch nicht erkennbar. Ein späterer Zeuge ist unglaubwürdig, da er verschiedene Autotypen erkannt haben will, die am Tatort waren, wovon der letzte die Marke des vom Angeklagten gefahrenen Autos trägt.

Wichtig ist ein Zeuge, der trotz Gipsarmes einen nächtlichen Umweg zum Anwesen der Familie des Getöteten gemacht hatte. Er gesteht, eine Sachbeschädigung vorgehabt zu haben, aber als er Licht im Schuppen gesehen habe, will er sich mit einem Klimmzug am Fensterrahmen festgehalten haben und so den Angeklagten beim Einfüllen einer Flüssigkeit im Motorrad beobachtet haben. Natürlich ist Hold skeptisch und ordnet einen Ortstermin an. Der Angeklagte kann dabei tatsächlich mit einem Arm den Klimmzug machen und von Lucas im Schuppen hochgehobene Farbkärtchen erkennen. Anschließend wäscht sich Hold die Hände und der Sohn des Angeklagten kommt mit Schachfiguren an.



Nun kommt es zu seltsamen Aussagen von Hold und Lucas, die aus irgendwelchen Gründen der Meinung sind, dass Schach kein Kinderspiel ist. Clever wie Hold ist, bemerkt er Erdspuren an den Schachfiguren und befragt das Kind informal. Es kommt heraus, dass der Angeklagte die Schachfiguren mitgebracht hatte. Das Schachbrett wird bald in einem Blumenkübel gefunden und sichergestellt.

Wieder in der Verhandlung präsentiert und Hold das Schachbrett.



Der Angeklagte war meines Erachtens ohnehin bereits überführt, aber hier ist der letzte Beweis. Das Schachbrett passt von den Maßen und Spuren her als der Gegenstand, der am "Unfall"-Ort entwendet worden war.

Staatsanwalt Lucas kann dem Angeklagten immernoch kein Geständnis entlocken und lässt dies entsprechend im Protokoll vermerken, sodass beim ersten theoretischen Termin nach 15 Jahren die vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung unwahrscheinlich ist.

Lucas beantragt lebenslange Freiheitsstrafe, Rechtsanwalt Vorländer beantragt Freispruch. Die Beweislage ist jedoch erdrückend und Richter Hold verurteilt wie angeklagt mit Ausnahme des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, der ohne Erklärung übergangen wird.



Abschließend macht Hold noch ein Wortspiel über Schach, dann wird die Verhandlung geschlossen.

Nicht nachvollziehbar bleibt, warum Hold und Lucas meinen, dass Schach nichts für Kinder ist, obwohl Hold erst noch das Kind gelobt hat, möglicherweise ist ihnen die großartige Jugendarbeit der Organe und Schachvereine nicht bekannt, oder sie sind noch mit Vorurteilen aufgewachsen, deren sie sich nur schwer entledigen können. Vielleicht brauchten die Autoren es auch als Plot-Punkt.


Einen Mord begehe ich auch öfters, jedoch nur im übertragenen Sinn. "Schachmatt" kommt aus dem Persischen (heutiges Iran), gebildet aus dem "Schah" (König) und "mat" (tot). Das Wort heißt also, dass der König tot ist, der Königsmord ausgeführt von der feindlichen Armee. Trotz dieses extrem gewalttätigen Inhalts mit Fesselung, Opfer, Königsmord ist Schach dabei aber durchaus für Kinder geeignet, die Entwicklung zu fördern und das Gemeinschaftsarbeiten, Konzentrationsfähigkeit, Aufnahmefähigkeit und weitere geistige und soziale Kompetenzen zu entwickeln.